Eine Zugfahrt, die ist lustig, eine Zugfahrt, die ist schön!

10Mai2018

Über 4000 km - über 61 Stunden - die Durchquerung von 3 Zeitzonen

Das sind erstmal die Hardfacts unserer längsten Zugstrecke.

 

Zwei Erfahrungsberichte:
Martin und Jenny wurden getrennt voneinander befragt 😉

 

"Nach einer Woche voller Entdeckungen, Erlebnisse und entsprechend schweren Beinen freute ich mich bereits am Bahnhof darauf, die nächsten gut 61 Stunden in der transsibirischen Eisenbahn zu entspannen und die neu gewonnenen Eindrücke zu verarbeiten. Einziges Problem war die just in diesem Moment akut werdende Erkältung, die ich mir wohl am letzten Tag in St. Petersburg eingefangen haben musste.
Da ich leider kein Nasenspray eingepackt hatte - warum eigentlich nicht? - musste ich mich mit vollkommen verstopfter Nase herumärgern. Erschwerend hinzu kam das gefühlt 100 Grad warme Abteil, welches für die nächsten 2,5 Tage unser neues Zuhause sein sollte. Um schnellstmöglich ins Bett zu kommen, machte ich mich auf den Weg in die Toilette. War meine Laune zu diesem Zeitpunkt schon ziemlich down, sackte sie mit dem Anblick dieser vollends in den Keller. Am Besten lässt sie sich wahrscheinlich mit einer Tankstellentoilette vergleichen und ich spreche nicht von den modernen Sanifair-Toiletten auf deutschen Raststätten... Gefrustet wollte ich einfach nur noch schlafen. Doch wie sollte ich in dieser Verfassung, der ruckeligen Fahrt und trotz Earplugs immer noch sehr lauten Umgebung zur Ruhe kommen? Irgendwann übermannte mich dann schließlich doch die Erschöpfung und ich fand ein wenig Schlaf. Nach mehreren kürzeren nächtlichen Unterbrechungen wurde dieser dann endgültig früh morgens beendet. Ein Fahrgast aus unserem 4er-Abteil musste den Zug verlassen und dachte sich wohl, es sei eine gute Idee, schon eine halbe Stunde vor seinem Stopp, bei voll geöffneter Abteiltür und Zugfenster zu warten, während sein Koffer weiterhin in unserem Abteil stand. Da ich leider kein Russisch spreche, konnte ich den netten Herren leider nicht auf sein nicht gerade sozialverträgliches Verhalten ansprechen. Ich entschied mich, meine Jogginghose und Socken anzuziehen, um hoffentlich weiterschlafen zu können.
Wären die weiteren 2 Tage ähnlich skurril verlaufen, hätte ich wohl nie wieder einen Fuß in einen Schlafwagen gesetzt. Doch überraschenderweise wurde ab diesem Zeitpunkt alles schlagartig besser. Ich gewöhnte mich allmählich an den Lärm und die wackelige Fahrt, fand Ruhe beim Lesen, Spielen sowie Musik oder Podcast hören und selbst die Toiletten erschienen ungefrustet weit weniger schlimm als auf den ersten Blick vermutet. Auch meine Erkältung klang nach und nach ab - Ruhe scheint tatsächlich zu helfen! 😉 Alle weiteren Fahrgäste, die während der 2,5 Tage einige Zeit mit uns die Kabine teilten, waren unheimlich nett und versuchten sich sogar, mit uns trotz Sprachbarrieren zu unterhalten. Dabei stellten wir fest, dass einige Russen im Gegensatz zu Englisch manchmal bruchstückhaft Deutsch, das sie in der Schule gelernt hatten, sprachen.
Rückblickend war es wirklich eine interessante Erfahrung, die ich nicht missen möchte und bin froh, dass wir uns dafür entschieden haben. Trotzdem war ich nach der langen Fahrt glücklich endlich mal wieder in einem richtigen Bett schlafen und ein paar Schritte mehr als den Gang hoch und runter tätigen zu können. "

 


"Wir waren wieder in der 2. Klasse, Viererabteil. In den 2,5 Tagen, in denen wir unterwegs waren haben unsere Mitfahrer drei Mal gewechselt. Alles sehr nette Russen, wenn es grundsätzlich auch hier natürlich wieder Sprachbarrieren gab, konnte man sich doch sporadisch verständigen. Fun Fact: kaum ein Russe konnte bisher Englisch, mit Deutsch kommt man aber tatsächlich ab und zu ein klein wenig zurecht.
Wir bezogen also unser sehr kleines und enges Quartier für die nächsten Tage, machten uns zum ersten Mal mit dem Waschraum / Toilette vertraut, der im ersten Moment wenig einladend war (nichts anderes als eine alte Zugtoilette wie wir sie kennen bzw. kannten) und etwas streng roch. Spätestens nach der Dritten Nutzung war aber auch das irgendwie ganz normal. Zumindest war alles sauber, die Schaffnerin (hier hat jeder Waggon eine eigene Schaffnerin) kam jeden Tag vorbei um den Boden der Kabine kurz zu säubern. Am ersten Morgen wurden wir dann von russischer Folkloremusik geweckt, die überall im Zug durch die Lautsprecher ertönte. Gott sei Dank, war das aber wirklich nur am ersten Tag. Wir kamen unter anderem vorbei an Jekaterinenburg, Omsk und Nowosibirsk. Am Anfang fragt man sich noch, wie man denn die viele Zeit im Zug verbingen will, ohne sich irgendwann zu langweilen. Aber tatsächlich gewöhnt man sich sehr schnell an den Müsiggang 😉 Nach dem vielen Sightseeing in der letzten Woche tut es aber wirklich auch ganz gut einfach mal nichts zu tun. Wir schliefen viel, wenn auch nicht immer durchgängig oder erholsam, lasen, spielten Spiele und wieder von vorne. Und abgesehen davon, dass man sich darüber freut sich endlich mal wieder ein bisschen mehr bewegen zu können und wieder ein bisschen mehr an der frischen Luft ist, fand ich es fast schade, als wir dann 'schon' wieder aussteigen mussten. 😀
Kurzum - man gewöhnt sich an alles! 🙂 "