Wüste Gobi - ein Protokoll

26Mai2018

Tag 1

Um 10 Uhr werden wir an unserem Hostel abgeholt. Wir haben einen Fahrer und einen deutschsprachigen Guide. Es ist Montag Morgen und der Verkehr in Ulanbator ist chaotisch. Alle hupen wie verrückt und fahren kreuz und quer. Wir brauchen erstmal eine ganze Weile bis wir aus der Stadt raus sind. Insgesamt fahren wir heute ca. 4,5 Stunden. Zuerst auf normalen Straßen und die letzten 2 Stunden nur noch übers Gelände. Sich hier zu orientieren ist gar nicht so einfach, es sieht alles gleich aus: endlose Steppe, hier und da eine Schafherde oder ein paar Kamele. Prompt verfährt sich unser Fahrer auch schon. Nach einem kleinen Umweg kommen wir aber trotzdem dort an wo wir hin wollten: Unser erstes Jurtencamp, die Unterkunft für die Nacht. Wir essen spät zu Mittag und brechen danach noch für eine kleine Wanderung zwischen interessanten Felsformationen in der Mittelgobi auf. Die Weite scheint endlos, die Felsen sind zerklüftet. Irgendwie ein schöner Anblick. Einzig das Wetter macht uns zu schaffen. Gestern waren noch schöne 24 Grad, heute sind wir bei 8 Grad unterwegs und der Wind pfeift wie verrückt durch alle Ritzen. Ich dachte ich hätte mich in Petersburg und Sibirien schon warm angezogen, aber heute musste ich wirklich alles auspacken und übereinander ziehen was geht: zwei Paar Socken und Wanderstiefel, Leggings, darüber eine Jeanshose, Top, langärmliges T-Shirt, T-Shirt, Kapuzenpulli, Weste, Zipperpulli, Regencape, 'Buff', Schal, Cappi, Kapuze vom Pulli, Kapuze vom Regencape. Dann gings eigentlich 😉 Aber ich bin gespannt auf heute Nacht, denn unsere Jurte hat wider erwarten keinen Ofen...

Erkenntnis des Tages: Kälte und Wind sind doof und ich träume mich an einen Strand in der Südsee.

 

Tag 2

Die letzte Nacht haben wir überraschend gut überstanden. In voller Montur, mit drei Decken, einer improvisierten Wärmflasche und eng aneinander gekuschelt.
Heute müssen wir erstmal 400 km fahren, das entspricht ca. 6 Stunden. Die Mongolei ist groß. Gobi ist groß. Heute fahren wir in die Südgobi. Wir besuchen ein kleines Museum, das ausgestopfte einheimische Tiere zeigt: viele Vögel, Geier, Falken; Füchse, Wölfe, Kamele, Mäuse, Schlangen, Leoparden, den Gobi Bär. Ich bin mir erst nicht sicher, ob der Gobi-Bär eine Verarsche ist, so wie der 'Drop-Bear' in Australien. Die Wortverwandschaft zum Gummibär ist zu present. Ich glaube es gibt ihn wirklich. Dann wandern wir durch eine Schlucht. Hier liegt noch Schnee. Der Wind ist heute immer noch durchdringend. Aber immerhin ist die Luft wärmer. In Ulanbator hat es geschneit. Ich bin froh, nicht in Ulanbator zu sein. Unsere Jurte hat schon wieder keinen Ofen. Die Jurtencamps, in denen wir übernachten sind Touristencamps. Einerseits ein bisschen schade, denn es ist natürlich nicht das wirklich mongolische Erlebnis, nicht so authentisch wie bei Gastfamilien. Auf der anderen Seite muss man für das echte Erlebnis wohl auch recht abgehärtet sein. Es gibt kein Strom und vor Allem kein fließendes Wasser, d.h. es gibt nur Plumpsklos und man kann sich entweder gar nicht waschen oder nur in eiskalten Flüssen. Geschirr wird nicht abgewaschen, sondern abgeleckt - und dann wieder verwendet. Das Essen besteht eigentlich nur aus fettem Hammelfleisch, das mitunter gleich als ganze Keule serviert wird oder es gibt Gulasch aus Innereien.
Die Touristencamps haben immerhin fließendes Wasser und Toiletten- und Duschhäuschen wie auf einem Campinglatz. Zeitweise auch Strom. Wenn man Glück hat auch warmes Wasser. Wir haben kein Glück. Das Essen ist etwas mehr dem internationalen Publikum angepasst. Es gibt zwar immer noch viel Fleisch, aber eher Rind und dazu zumindest ein bisschen Gemüse und Reis. Alles in Allem auf jeden Fall die komfortablere Wahl.

Erkenntnis des Tages: Wo ist der Ofen?

 

Tag 3

Heute fahren wir erst um 10.30 Uhr los. Nach 1,5 Stunden über Schotterpiste im Nirgendwo kommen wir schon an unserem nächsten Camp an. Eigentlich sollten wir heute Kamelreiten, aber die Nomadenfamilie, die das anbietet ist noch in ihrem Winterquartier. Um 13 Uhr gibt es Mittagessen. Danach soll es zu einer kleinen Wanderung losgehen. Wir warten. Über eine Stunde später geht es los. Der Wind pfeift ungebrochen. Aber heute ist es warm. Die Sonne brennt fast. Die trockene, sandige Luft ist unangenehm. Am Ende des Tages haben wir den Staub und Sand sogar in den Ohren. Wir laufen nach Bajanzag. Hier wurden in den 20er Jahren Dinosaurierskelette ausgegraben und die ersten Dino-Eier gefunden. Als wir ankommen sehen wir zwar keine Dinos, aber die Felsenformation aus Sandstein sieht toll aus. So stelle ich mir den Grand Canyon vor. Nur größer. Nach dem Abendessen fahren wir dort nochmal zum Sonnenuntergang hin. Es liegt direkt hinter unserem Camp. Vor dem Schlafen gehen fangen wir Heuschrecken. Unsere Jurte scheint beliebt zu sein. Aber unser Bett teilen wollen wir dann doch nicht. Es sind so viele, dass es bestimmt 1,5 Stunden dauert bis wir annähernd alle hinaus befördert haben. Der Rest darf mit uns die Nacht verbringen.

Erkenntnis des Tages: Ich geh dann mal die Pferde suchen.

 

Tag 4

Das Frühstück ist wie gewohnt lecker. Nicht mongolisch. Aber es gibt jeden Tag gebratene Eier, ein bisschen Brot und Cornflakes. Wir fahren heute schon um 8.15 Uhr los. Die Strecke ist nicht allzu weit, ca. 200 km, aber ausschließlich querfeldein über Schotterpiste, weshalb wir erst um 12.30 Uhr ankommen. Auf der Fahrt sehen wir Sanddünen, vier Gazellen die unseren Weg kreuzen und wie immer einen Haufen Schaf-, Ziegen- und Kamelherden. Vereinzelt kommen wir auch an den Jurten der Nomadenfamilien vorbei. Mitten im Nichts. Nach dem Mittag besichtigen wir die Ruinen einer alten buddhistischen Tempelanlage. Ihrer Zeit eine der größten in der Mongolei. Zur Sowjetzeit wurde sie, wie auch so viele Kirchen und andere religiöse Orte, zerstört und viele der Mönche getötet. Heute sieht man nicht mehr viel davon. Das zugehörige Museum hat leider geschlossen. Dafür haben wir in unserem heutigen Camp endlich warmes Wasser. Den restlichen Nachmittag verbringen wir mit chillen - und duschen.

Erkenntnis des Tages: Die Titelmelodie von 'Game of Thrones' ist in Wirklichkeit ein mogolisches Volkslied.

 

Tag 5

Heute müssen wir wieder viel fahren. Für ca. 300 km ausschließlich querfeldein über Schotterpiste benötigen wir 6 Stunden. Mittag essen wir unterwegs. Es windet immer noch. Und da wir wieder in Richtung Norden unterwegs sind, ist es auch wieder kälter geworden. Nach den landschaftlich monotonen Zugfahrten in Russland ist es aber schön anzusehen, wie sich die Landschaft hier jeden Tag ändert. Heute sind wir zwischen grün-gelben Hügeln unterwegs. Wir sehen wie immer viele Schaf-, Ziegen- und Kuhherden, leider auch einige tote Tiere. Die haben das kalte Frühjahr nicht überstanden. Dafür sehen wir heute aber auch viele Wüstenmäuse über den Boden huschen, einige große Vögel, Falken und Kraniche und Erdmännchen. Unser Ziel ist Kharakorum. Ehemalige Hauptstadt zu Zeiten von Dschingis Khan und seinerzeit eine der größten Städte überhaupt - mit 15 000 Einwohnern. Wir besuchen das örtliche Museum, das Einblicke in die Ausgrabungen und die Stadt gibt. Wir erfahren, dass hier schon im 13. Jahrhundert alle großen Religionen friedlich neben- und miteinander gelebt haben. Heute ist hier nicht mehr viel. Kharakorum ist eher ein kleines verschlafenes Dorf im Nirgendwo, so wie ziemlich alles außer Ulanbator. Wir besichtigen noch eine alte buddhistische Tempelanlage und fahren dann in unser nächstes und letztes Jurtencamp. Wir trauen unseren Augen kaum - in den Jurten gibt es Öfen!

Erkenntnis des Tages: Man muss nur fest dran glauben.

 

Tag 6

Der Ofen war ein Reinfall. In dem Moment, in dem er befeuert wurde, war es natürlich schön warm in der Jurte. Aber schon nach 1-2 Stunden war nichts mehr davon übrig. Schade nur, dass man nachts in der Regel ein bisschen länger schläft als 1-2 Stunden...
Heute ist also Tag der Rückreise nach Ulanbator. Wir starten um viertel vor zehn und müssen heute nochmal ca. 400 km fahren. Diesmal allerdings wieder auf asphaltierten Straßen. Vor dem Mittag halten wir noch einmal an um das Kamelreiten nachzuholen, das am Tag 3 leider ausgefallen ist. Und hier haben wir nun doch auch noch unser echtes mongolisches Nomadenerlebnis. Wir sitzen für ca. 15 Minuten mit der Familie in ihrer Jurte zusammen, die das Kamelreiten anbietet. Neben dem Eingang liegt ein Ziegenkopf. Wir sitzen auf kleinen Höckerchen um den Ofen herum. In einer großen Schüssel liegen Innereien, die abwechselnd in der Glut gegart werden um dann, außen schwarz, innen noch roh verteilt und gegessen zu werden. Uns fragt Gott sei Dank niemand, ob wir probieren möchten... Dafür bekommen wir einen Becher Milchtee. Schmeckt wie wässrige, gesalzene Milch. Die Jurte ist schmutzig. Gegenüber dem Eingang ist ein kleines Schlaflager auf dem dreckige Klamotten und Decken liegen. Kurz nachdem wir uns hinsetzen wird mir das anwesende Baby in die Hand gedrückt. Die Kleine, vielleicht ein paar Monate alt, sieht süß aus, aber auch ihre Klamotten sind schmutzig und ein paar Haarsträhnen verfilzt. Irgendwie sind wir froh, als wir wieder hinaus gebeten werden und irgendwie sind wir auch froh, dass wir in den Touristencamps untergekommen sind. Dieser 15-minütige Eindruck hat uns ausgereicht.
Das anschließede Kamelreiten durch die Dünen war dann ein schöner Abschluss. Zumindest fand ich das. Martin schwor dem Reiten - auch nach dem Erlebnis letztes Jahr auf Kuba - nun endgültig ab. Ich muss zugeben, dass das Rückgrad der Kamele etwas hart am Steißbein zu spüren war. Ansonsten fand ich es aber auch nicht viel anders als auf einem Pferd, was mir für meinen Teil jedenfalls gefällt 🙂

Erkenntnis des Tages: Manchmal muss es gar nicht so authentisch sein.